Was tun wenn die Füße unerreichbar sind: 5 Übungen die Deine Beinrückseiten dehnen

„Strecke Deine Beine und berühre mit den Fingern Deine Zehen“. Diesen Satz haben wir wahrscheinlich alle schon öfter mal gehört. Entweder beim Sport, beim Arzt oder auch von Freunden. An dieser Beweglichkeitsübung sind schon viele verzweifelt. Und wenn Du chronisch verkürzte Beinrückseiten hast und Deine Zehen für Dich unerreichbar sind wird es Dich jedes mal wieder nerven wenn Du diesen Satz von irgendjemandem hörst. Vor allem beim Yoga fällt es sofort auf wenn die Rückseiten der Oberschenkel verkürzt sind – „beim herabschauenden Hund“ oder einer „stehenden Vorbeuge“ fällt das Durchstrecken der Beine schwer. Keine Sorge, Du bist nicht alleine. Eine Verkürzung der Hamstrings (Oberschenkelrückseiten) ist ziemlich weit verbreitet deshalb möchte ich Dir 5 Übungen vorstellen welche die Beweglichkeit in Deinen Beinrückseiten verbessern und der Verkürzung entgegenwirken.

Was sind die Hamstrings überhaupt?

Die Muskulatur an Deinen Oberschenkelrückseiten, auch Hamstrings genannt, ist eine Muskelgruppe welche aus drei großen Muskelsträngen und den dazugehörigen Sehen und Faszien besteht. Diese drei Muskeln setzten an den Sitzbeinhöckern des Beckens an und verlaufen an der Oberschenkelrückseite abwärts. Zwei Muskeln davon verlaufen mehr an der Innenseite und einer an der Außenseite des Beins. Alle drei Muskeln sind durch lange, über die Kniekehle laufende Sehnen mit dem Unterschenkel verbunden. Wenn Du diese Muskelgruppe anspannst wird Deine Hüfte gestreckt und Dein Knie gebeugt. Dementsprechend werden Deine Hamstrings bei einer Beugung der Hüfte (Beckenkippung nach vorne) und Streckung des Knies gedehnt.

Warum Deine Beinrückseiten verkürzt sind:

Ein häufiger Grund von verkürzten Hamstrings ist generell zu wenig Bewegung und das wir im Alltag oft eine Schonhaltung einnehmen. Wir sitzen mit rundem Rücken und überkreuzten Beinen und dabei zieht sich die Muskulatur an den Oberschenkelrückseiten ständig zusammen. Das führt bei zu wenig Gegenbewegung dann zu schmerzhaften Verkürzungen. Es ist nichts Neues das zu häufiges und langes Sitzen steif und unbeweglich macht, aber auch bestimmte Sportarten, wie Joggen, Radfahren, Wandern, Laufen usw. können zu einer verkürzten Muskulatur an Deinen Beinrückseiten beitragen. Aber es kann natürlich auch andere Gründe haben warum Du Deine Zehen nicht anfassen kannst und in Deiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt bist. Oftmals sind es auch verkürzte und verspannte Waden-Muskeln, z.B. durch ständiges Tragen von High Heels, welche Deine Strukturen im gestreckten Kniegelenk beeinflussen können und damit auch Deine gesamte Beinrückseite. Auch Deine tiefe Hüftmuskulatur, mit der Du Dein Becken kippst, kann die Geschmeidigkeit in Deinen Hamstrings beeinflussen. Ein weiterer Grund können fasziale Verhärtungen zwischen den Muskeln an Deiner Beinrückseite sein, so dass Deine Muskeln zusammenkleben und nicht mehr geschmeidig aneinander gleiten können. Oder manchmal sind es auch einfach gelenksbedingte Fehlstellungen die Deine Beweglichkeit einschränken.

Folgen von verkürzten Beinrückseiten:

Sind Deine Beinrückseiten verspannt und verkürzt dann verhindern sie die nötige Beckenkippung wenn Du Deinen Oberkörper nach vorne neigst. Dein Becken wird dann in eine nach hinten aufgerichtete Position gezogen und Dein Rücken rundet sich. Dadurch erhöht sich auch der Druck auf Deine Bandscheiben im Bereich Deiner Lendenwirbelsäule. Durch längere Fehlbelastung kommt es dann eventuell zu Schmerzen im unteren Rücken oder manchmal sogar zu einem Bandscheibenvorfall.

Was Du beim Dehnen Deiner Beinrückseiten beachten solltest:

Wenn Du die Muskulatur an Deinen Beinrückseiten dehnst solltest Du die Spannung mittig an der Oberschenkelrückseite spüren, das ist normalerweise der übliche Dehnungsschmerz. Wenn Du allerdings, während der Dehnungsübung, ein ziehendes oder sogar brennendes Gefühl nahe der Sitzbeinhöcker wahrnimmst deutet dies daraufhin das Deine Muskulatur schon vollständig gedehnt ist und nun der Zug stattdessen auf Deine Sehnen und Faszien am Muskelansatz wirkt. Ignorierst Du dauerhaft das schmerzende Gefühl nahe der Sitzbeinhöcker kann es sein das es irgendwann zu Zerrungen, Rissen oder Entzündungen kommt.

Wenn Du schon eine Verletzung an den Hamstrings hast oder Deine Oberschenkelrückseiten durch zu intensives Dehnen bereits gereizt sind, dann solltest Du die betroffene Muskulatur nicht mehr vollständig dehnen und reizen sondern Deine Knie gebeugt lassen oder im schlimmsten Fall vielleicht sogar einige Wochen oder Monate diesen Bereich überhaupt nicht mehr dehnen. Es fällt vielen Yogis, gerade den fortgeschrittenen und flexiblen, oft sehr schwer auf die geliebten, intensiven Vorbeugen mit gesteckten Beinen für eine Weile zu verzichten. Wenn Du nicht möchtest dass das Problem chronisch wird und Dein Gewebe heilen soll, ist es manchmal ratsam Deine Yogapraxis zu ändern. Du musst deswegen ja nicht komplett auf Yoga verzichten. Konzentriere Dich stattdessen mehr auf andere Körperbereiche und auf Kraftaufbau, Atemübungen oder Meditation.

Gehe generell beim Dehnen nicht über Deine Schmerzgrenze hinaus. Weniger ist oftmals mehr. Kämpfe nicht gegen Dich selbst an, sondern suche Dir eine Dehnungsübung für Deine Beinrückseiten aus die Dir zusagt und fühle Dich langsam in den Stretch hinein und komme auch vorsichtig wieder heraus. Fokussiere Dich auf einen gleichmäßigen und kontinuierlichen Atem. Mit jeder Ausatmung langsam etwas tiefer in die Dehnung gehen. Lass Dir Zeit und höre auf die Signale Deines Körpers.

5 Übungen die Deine Beinrückseiten dehnen:

Du benötigst für die folgenden Übungen einen Yoga Gurt, einen Tennisball, zwei Yoga Blöcke und eventuell einen Decke.

1. Supta Padangusthasana (Hand zum Fuss-Haltung) – mit Hilfe von Gurt

Lege Dich nun auf den Rücken. Lege Dir den Gurt in Reichweite zurecht. Beuge Deine Knie und stelle Deine Füße hüftbreit auf. Greife dann nach dem Gurt und ziehe Dein rechtes Knie zu Dir heran. Lege dann den Gurt um Deinen rechten Fußballen, unterhalb der Zehen. Anschließend streckst Du dann Dein Bein nach oben aus. Achte darauf dass Du den Gurt nicht zu hoch greifst, Deine Ellenbogen sind leicht gebeugt und Dein Kopf und Schultern liegen entspannt auf dem Boden auf. Ziehe dann Deine Zehen zu Deinem Schienbein heran und schiebe Deine Ferse nach oben. Versuche Dein Bein ganz zu strecken und Deine Kniekehle zu öffnen. Schaffe Länge von Deinem Sitzbeinhöcker bis nach oben zur Ferse und spanne dabei Deinen rechten Oberschenkel an. Mit der Ausatmung ziehst Du Dein gestrecktes Bein noch etwas näher zu Dir heran. Achte darauf dass Du Deine natürliche Kurve im Lendenwirbelbereich beibehältst und Dein Becken sowie Kreuzbein nicht vom Boden anhebst. Du kannst nun hier bleiben oder wenn Du schon etwas flexibler bist und tiefer in die Dehnung hineingehen möchtest kannst Du Dein linkes Bein am Boden entlang ausstrecken. Auch hier Deinen linken Fuß flexen und Deine Ferse zum Mattenende schieben. Wenn es Dir sehr schwer fällt Dein rechtes Beine zu strecken kannst Du nun auch eine gefaltete Decke zu Hand nehmen und diese unter Dein Becken legen. Halte hier nun für 5-10 tiefe Atemzüge und wiederhole dann die Dehnung an Deinem linken Bein. Lege dann den Gurt beiseite und stelle beide Füße wieder hüftbreit auf dem Boden auf.

2. Ananda Balasana (Glückliches Baby) – einseitig

Ziehe nun noch einmal Dein rechtes Knie zu Dir heran. Richte nun Deine rechte Fußsohle nach oben zur Decke aus. Greife gerne Deinen rechten Oberschenkel mit beiden Händen und drehe diesen nach außen, so dass Dein Knie nicht auf Deinem Oberkörper aufliegt sondern weiter nach außen geöffnet ist. Heben dann Deinen Kopf und Schultern an und greife mit Deiner rechten Hand die Innenkannte Deines rechten Fußes. Anschließend Kopf und Schultern wieder entspannt auf dem Boden ablegen. Falls Du Deinen Fuß nicht greifen kannst, dann nehme Dir als Verlängerung nochmal den Gurt zur Hilfe, welchen Du über Deinen Fußballen legst. Dein rechter Unterschenkel ist senkrecht ausgerichtet und Dein rechtes Fußgelenk ist über Deinem Knie positioniert. Du drückst mit Kraft Deines Arms Deinen Fuß nach unten so dass Dein Knie näher zum Boden kommt. Dein rechtes Schulterblatt dabei, so gut wie es geht, in den Boden hinein erden. Achte darauf das Dein linkes Bein nicht nach außen zur Seite kippt. Da das Bein angewinkelt und Deine Hüfte in der Außenrotation geöffnet ist konzentrieren wir uns in dieser Dehnung auf den Bereich der Oberschenkelrück- und Innenseite. Halte hier für 5-10 tiefe Atemzüge und wiederhole dann die Dehnung an Deinem linken Bein.

3. Ardha Hanumanasana (Halber Spagat) – Yoga Blöcke unter den Händen

Komme nun in den Kniestand, Deine Knie sind dabei hüftbreit geöffnet. Anschließend nimmst Du Dir zwei Yoga Blöcke zur Hand und stellst diese hochkant vor Dir auf dem Boden auf und stützt dann Deine Hände auf die Klötze.

A) Vorderes Bein gerade nach vorne – Dehnung mittig an der Beinrückseite
Strecke dann Dein rechtes Bein, zwischen den Blöcken, gerade nach vorne aus, so dass die Ferse den Boden berührt. Dein rechtes Bein ist gestreckt und Du ziehst Deine Zehen zu Dir heran. Hebe Dein Brustbein und ziehe Deinen Rücken lang. Wichtig ist nicht wie tief Du Dich über Dein gestrecktes Bein nach vorne beugen kannst, sondern das Du die Länge in der Wirbelsäule beibehältst. Rechte Ferse drückt aktiv in den Boden und zieht aktiv zu Deinem rechten Sitzbeinhöcker, dabei Dein rechtes Schienbein leicht anheben und die Kniescheibe anziehen, so dass Du spürst das Dein Oberschenkelmuskel sich anspannt. Deine Sitzbeinhöcker ziehst Du nach hinten während Du weiterhin mit jeder Einatmung Dein Brustbein nach vorne ziehst. Dabei schiebst Du Deine rechte Hüfte leicht zurück und die linke etwas nach vorne. Verweile hier 5 Atemzüge.

B) Vorderes Bein diagonal nach rechts – Dehnung innen an der Beinrückseite
Wandere nun mit Deinem Bein etwas nach rechts, so dass Dein Bein jetzt nicht mehr gerade nach vorne getreckt ist. Wenn Du möchtest und Dein Rücken dabei lang bleibt kannst Du Dich nun etwas mehr über Dein gestrecktes Bein beugen um die Dehnung zu intensivieren. Halte hier 5 Atemzüge.

C) Vorderes Bein diagonal nach links – Dehnung außen an der Beinrückseite
Wandere nun mit Deinem Bein etwas diagonal nach links. Halte auch hier für 5 Atemzüge.

Richte anschließend Dein Bein wieder mittig aus und von dort aus kommst Du wieder zurück in den Kniestand und wiederholst dann die ganze Übung mit Deinem linken Bein.

Komme nach dieser Übung wieder zurück in den Kniestand und lege die Yoga Blöcke zur Seite. Nehme nun auch Deine Hände zum Boden, so dass Du Dich in einem Vierfüßlerstand wieder findest und drücke Dich dann von dort aus, in dem Du Deine Knie vom Boden anhebst und den Boden wegschiebst, in den „nach unten schauenden Hund“. Wandere dann mit Deinen Händen zurück zu Deinen Füßen und rolle Dich anschließend langsam, Kopf als letztes, nach oben zum stehen auf. Von hier aus läufst Du nach vorne zu Deinem Mattenanfang.

4. Virabhadrasana (Krieger I) – Oberkörper nach vorne gelehnt

Deine Füße sind hüftbreit geöffnet. Mit Deinen Händen an Deinen Hüften geht der rechte Fuß einen langen Schritt zurück. Es ist wichtig dass die Ferse Deines hinteren Fußes den Boden berührt und Du diese auch gut erden kannst. Deine Füße sind in einer Linie mit Deinen Hüftknochen, also noch immer hüftbreit. Vorderer Fuß parallel zum Mattenrand und die Zehen Deines hinteren Fußes eingedreht. Beuge dann Dein vorderes Knie in eine Krieger I Stellung, achte dabei darauf dass sich Dein Knie nicht über Dein Fußgelenk schiebt. Du möchtest nicht in Dein Knie hinein belasten. Ertaste mit Deinen Händen Deine Hüftknochen und orientiere diese nach vorne indem Du Deine rechte Hüfte etwas zurück ziehst und Deine linke Hüfte nach vorne schiebst, dabei gleichzeitig Deine Beininnenseiten kräftig zueinander ziehen. Die Außenkante und Ferse Deines hinteren Fußes schiebst Du aktiv in den Boden. Lehne dann Deinen Oberkörper etwas nach vorne, so dass Dein Rumpf und Dein hinteres Bein eine gerade Linie bilden und stütze dabei Deine Hände auf Deinem rechten Oberschenkel auf. Dein Bauchnabel zieht nach innen oben und Dein Steißbein strebt zu Deiner linken Ferse, welche sich nach wie vor kraftvoll in den Boden schiebt um Deine Wadenmuskulatur zu dehnen. Deine Schultern bleiben während der ganzen Übung entspannt und Dein Brustbein angehoben. Halte diese Position für 5 tiefe Atemzüge.

Richte anschießend Deinen Oberkörper wieder auf, nehme Deine Hände wieder an Deine Hüfte und steige mit Deinem linken Fuß wieder nach vorne. Wiederhole nun die Yoga Haltung auf der anderen Seite indem Du mit Deinem rechten Bein zurück steigst.

5. Deine Fußsohle (Plantarfaszie) mit einem Tennisball massieren

Für diese Übung kommt nun der Tennisball ins Spiel. Lege den Tennisball unter Deine rechte Fußsohle. Gebe nun vorsichtig Dein Körpergewicht auf den Ball ab und spüre in Deine Fußsohle hinein. Dann verlagerst Du behutsam Dein Gewicht und rollst den Ball langsam unter Deinem Fuß vom Vorderfuß nach hinten und von Deiner Ferse wieder nach vorne, immer mit Druck. Wenn Du einen Punkt findest der sich sehr unangenehm anfühlt und etwas schmerzt, dann verweile dort ein bisschen und lasse Dein Gewicht hineinsinken, atme dabei gleichmäßig. Danach ist dann Dein anderer Fuß dran. Zu beginn wird es etwas wehtun. Das wird mit der Zeit aber besser. Du kannst die Übung auch mehrmals pro Fuß wiederholen wenn Du möchtest.

 

Natürlich gibt es noch zahlreiche andere Yoga Übungen um Deine Hamstrings zu dehnen und die Flexibilität in Deinen Beinrückseiten zu verbessern. Am besten ist es mit einfachen Vorbeugen in Rückenlage zu beginnen welche für die Lendenwirbelsäule am ungefährlichsten sind wie z.B. Supta Padangusthasana. Bei den Yoga Haltungen ist es dabei nicht so wichtig mit Deinen Händen an Deine Füße zu kommen. Viel wichtiger ist, dass Du Deine Rückseite regelmäßig in verschiedenen Vorbeugen dehnst und öffnest und mit Hingabe und Vertrauen übst anstatt mit zu viel Zielstrebigkeit und Kontrolle.


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